Die Erde ist flach: Video "Flachwelt Ade" widerlegt - ein Gastbeitrag

Wer mit Vertretern der Kugelerde-Fraktion diskutiert, wird sehr häufig stolz zu hören bekommen, dass es ja ein Video gebe, das, am Bodensee aufgenommen, "beweise", dass bereits nach 6 km Beobachtungsdistanz Bootsrümpfe verschwunden seien und die Erde demzufolge rund sein müsse. Das Video scheint die uralte Behauptung zu bestätigen, dass Bootsrümpfe aufgrund der "Krümmung" der Erde "hinter dem Horizont" verschwinden.
Dieses Video befand sich mal auf youtube, ist aber seit etlichen Jahren gelöscht. Ob Herr Tobler selber bemerkt hat, dass er zu vorschnell war?

Meine Kritik an diesem Video war von Anfang an, dass es insofern sehr unwissenschaftlich ist, als keinerlei Kontroll- also zumindest Wiederholungs-Beobachtungen vorgenommen wurden. Jedenfalls sagte das Video nichts dazu aus. Anscheinend (sofern ich die Angelegenheit sehr wohlwollend betrachte) hat Herr Tobler, der Autor dieses Videos, das "nächst beste" Ergebnis genommen, das die Kugelerde zu belegen scheint. Nicht so wohlwollend betrachtet, könnte einem in den Sinn kommen, dass einfach nur so lange immer wieder Ergebnisse produziert wurden, BIS das im Video festgehaltene Ergebnis beobachtet werden konnte. Wie es wirklich war, wird wohl nur Herr Tobler selber wissen.
Darum geht es hier aber nicht.

Allerdings wird die Luft für diejenigen, die mit diesem Video die Kugelerde "beweisen" wollen, jetzt nicht nur dünn, sondern quasi frei von Sauerstoff, denn ich veröffentliche hier einen Gastbeitrag von einem Akademiker (der bis jetzt nicht namentlich genannt werden möchte), der in guter wissenschaftlicher Manier tatsächlich WERTFREI beobachtet hat.
Seine Beobachtungen zeigen, dass Toblers Video wohl einfach nur atmosphärische Effekte durch LUFTSPIEGELUNGEN zeigt, die nach UNTEN spiegeln und dadurch den Eindruck erwecken, als seien die Bootsrümpfe "hinter dem Horizont". Sie sind nicht mehr sichtbar; so viel steht fest. Die Ursache ist aber wohl eine ganz andere als die, die uns Herr Tobler so selbstsicher vermittelt. Dass dem so ist, zeigen ja auch längst meine Fotos der über eine Distanz von 21 km vollständig sichtbaren Schlosskirche Friedrichshafen.

Hier also nun der Gastbeitrag:

Beobachtungen zur Sichtweite in der Lübecker Bucht

Die im Folgenden gezeigten Bilder wurden im Rahmen eines Sommerurlaubs von Niendorf am Timmendorfer Strand aus mit einer auf ein Stativ montierten Nikon P900 aufgenommen.
Ich möchte vorausschicken, dass die Bilder und die Interpretation der Ergebnisse sicherlich keinen „strengen“ wissenschaftlichen Ansprüchen genügen können. Dazu wären dann noch genaue Wetterdaten zu erheben gewesen (Wasser- und Lufttemperatur, Luftfeuchte etc.), um auf deren Einfluss auf die atmosphärischen Eigenschaften rückschließen zu können. Die Aufnahmen dienten einem ersten „groben“ Überblick.
Auf den folgenden Bildern 1 und 2 sind Strandabschnitte bei Pelzerhaken in einer Entfernung von ca. 10,5 km zu sehen. Die Bilder sind aus einer Höhe von ca. 1 m über dem Wasser bei knapp 20 Grad Celsius und einem bewölkten Himmel aufgenommen worden. Die Bilder 1 bis 8 lassen sich - mit Ausname von Bild 5a - durch Anklicken vergrößern.

cd bild1

Bild 1

Auf Bild 1 sind der gegenüberliegende Strand sowie die Strandkörbe zu erkennen. Das gleiche auf Bild 2, das einen Strandabschnitt etwas weiter westlich zeigt.

cd bild2

Bild 2

Zum Vergleich ist das Bild 3 aus der Ferienwohnung, ca. 7 bis 8 m über dem Wasser aufgenommen worden. Hier erscheint der Strand breiter.

cd bild3

Bild 3

Auf den ersten Blick erscheint es so, dass bei Bild 2 tatsächlich ein Stück Strand abgeschnitten ist, jedoch nicht die 2,90 m, die laut der auf Wikipedia angegebenen Formel (https://de.wikipedia.org/wiki/Sichtweite) mit terrestrischer Refraktion abgeschnitten sein müssten. Man erkennt jedoch eine Stauchung der Gebäude auf Bild 2 gegenüber Bild 3.
Es ist also eher so, dass vom Strand nichts abgeschnitten ist - bzw. nur ein unwesentlicher Teil - sondern dass der Strand auch gestaucht ist.
Auf dem später aufgenommenen Bild 4, auch aus der Ferienwohnung aufgenommen, sind der Strand und die Halle fast so gestaucht wie auf Bild 2.

cd bild4

Bild 4

Hier war allerdings die Sonne herausgekommen und die Luft wesentlich "flimmeriger". Möglicherweise gibt es auch selten Wetterbedingungen, bei denen umgekehrt aus 1 m Höhe kaum Stauchung zu erkennen ist.
Dies ist eine Analogie zu den von Matthias Kleespies aufgenommenen Bildern der Schlosskirche in Friedrichshafen.
Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass eine erkennbare Krümmung und eine Verdeckung durch den Horizont so nicht nachweisbar ist.
Weiterhin scheint es so, dass die festgestellte Stauchung nichts mit einer Refraktion zu tun hat, die einen scheinbar größeren Erdradius produziert.
Ein anderes Thema, das ich hier illustrieren möchte, sind Luftspiegelungen nach unten und in der Tat die anomale negative Refraktion als "Vorstufe". Hier erscheint der Horizont höher, also der "Erdradius" kleiner. Soweit die Übereinstimmung mit den Angaben im Wikipediaartikel.

Diese Phänomene haben im engeren Sinne nichts mit einer flachen oder einer Kugelerde zu tun, sind aber trotzdem erhellend.

Auf Bild 5 sieht man ein Gebäude in Grömitz in ca. 17,5 km Entfernung bzw. man sieht den oberen Teil. Der untere Teil ist nicht echt sondern gespiegelt; die Spiegelebene befindet sich auf Höhe des dicken weißen Balkens. Die Segel des Segelbootes im Vordergrund sind ebenfalls nach unten gespiegelt.

cd bild5

Bild 5

cd bild5a

Bild 5a: Zur besseren Illustration habe ich (der Ihnaber dieses Blogs) die Spiegellinie hier als rote Linie eingezeichnet. Alles unterhalb dieser Linie, insbesndere das nahezu komplette blaue Segel, ist nach unten gespiegelt, weshalb das Boot keinen Rumpf hat. Hierbei handelt es sich um reale Spiegelungen im Gegensatz zu den angeblichen Luft-Spiegelungen, die von Vertretern der Kugelerde-Fraktion regelmässig ins Spiel gebracht werden, um zu "begründen", weshalb beispielsweise Bregenz von Konstanz aus über einen angeblichen "Krümmungs-Höhenunterschied" von angeblich 166 m gesehen werden könne. Ende der Ergänzung von Matthias Kleespies.

Das etwas später aufgenommene Bild 6 zeigt keine Spiegelung mehr, sondern das oben gezeigte Gebäude etwas deformiert sowie die oberen zwei Etagen eines in der Nachbarschaft stehenden niedrigeren Hauses.

cd bild6

Bild 6

Wiederum später (Bild 7) sind schon vier Etagen des Nachbargebäudes zu sehen und ein Teil der davor stehenden Bäume.

cd bild7

Bild 7

Insgesamt wirkt der Horizont immer noch etwas „zu hoch“.

Die letzten drei Bilder sind bei steigenden Temperaturen und Sonnenschein am Nachmittag des 26.06.2016 aufgenommen worden, nachdem es sich die Nacht vorher deutlich abgekühlt hatte.
Dies sind wohl optimale Bedingungen zur Herausbildung von Temperatur- bzw. Dichtegradienten über dem Wasser und atmosphärischen Linseneffekten.
Gegen Abend zeigte sich bei sinkenden Temperaturen wieder eine Luftspiegelung nach unten.
Die zuletzt besprochenen Beobachtungen sind auch im Hinblick auf das „Flachwelt ade“ Bodenseevideo interessant, das letzten Endes auch eine Luftspiegelung nach unten zeigt. Die Rümpfe der Segelboote werden durch die gespiegelten Masten verdeckt. Das Video hat somit in Bezug auf das, was bewiesen bzw. widerlegt werden sollte, keine Aussagekraft.

Zur Illustration dieser Aussage hat der Autor dieses Gastbeitrages ein Bildschirmfoto aus dem Tobler-Video "Flachwelt Ade" mit einer roten Spiegellinie ganz ähnlich jener aus Bild 5a versehen. Das sieht dann so aus (das Bild lässt sich durch Anklicken vergrößern):

spiegelung

Bild 8: Bildschirmfoto aus dem Tobler-Video "Flachwelt Ade" mit einer Spiegellinie versehen. Sehr deutlich ist zu sehen, dass tatsächlich Teile der Masten nach UNTEN gespiegelt werden, wodurch die Bootsrümpfe durch diesen optischen Effek verdeckt sind, der absolut gar nichts mit einer angeblichen Kugelerde-Krümmung zu tun hat. Damit ist das Video hinischtlich seiner Aussage, dass die Bootsrümpfe angeblich "hinter dem Horizont" verschwänden, komplett wertlos.

Soweit erst mal eine paar kurze Ausführungen zu meinen Fotobeobachtungen.

Hier gibt es ein Video, das mehrere dieser optischen Effekte, bis hin zum "Verschwinden" ganzer Unterschenkel von Menschen auf einer Straße durch warme Luftschichten, zeigt.